Interview mit Bernd Wagner, Managing Director Google Cloud Deutschland

Noch vor wenigen Jahren galt Nachhaltigkeit als ein „Nice-to-have" - diese Perspektive haben viele Unternehmen mittlerweile komplett revidiert. Inwiefern haben Sie den Aspekt der Nachhaltigkeit in Ihren Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt?

Bernd Wagner: Seit einigen Jahren kommt diese Diskussion glücklicherweise in Gang. Für Google jedoch war Nachhaltigkeit von Anfang an ein wichtiges Thema: Es ist sogar in unserem Gründungsmanifest als Unternehmensziel festgelegt. Daher waren wir als Unternehmen auch schon 2007 C02-neutral. Neutralität durch C02-0ffset-Zertifikate ist zwar ein wichtiger Schritt, aber langfristig nicht genug, daher haben wir zeitgleich begonnen, großflächig in erneuerbare Energien zu investieren. Seit 2017 decken wir unseren weltweiten Stromverbrauch zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien ab. Das bezieht auch den Betrieb unserer Rechenzentren mit ein, sodass wir unseren Kunden eine der saubersten Clouds der Branche bieten können. Unser Ziel ist es, bis 2030 rund um die Uhr ausschließlich C02-freie Energie zu nutzen.

Heute sind wir jährlich der weltweit größte gewerbliche Abnehmer von erneuerbarer Energie. Darüber hinaus investieren wir in hochwertige Maßnahmen zur Kohlenstoffreduktion, um auch rückwirkend die Emissionen seit unserer Gründung 1998 auszugleichen. Ich glaube, so etwas hat man noch von keinem anderen Technologieunternehmen gehört.

Was aus den Gesprächen mit Ihren Kunden über Nachhaltigkeit sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen?

Bernd Wagner: Der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Greta Thunberg hat das beeindruckend auf globaler Ebene vorgeführt. Es braucht eine Unternehmenskultur, die alle Mitarbeiter*innen dazu anhält, bei allem, was sie tun, auf den C02-Ausstoß zu achten.

Zusätzlich leistet die Umstellung auf Cloud Computing an sich ja schon einen großen Beitrag dafür, energieeffizienter zu arbeiten - weil man damit weg von dedizierten Servern und selbstbetriebenen Rechenzentren hin zu einer virtualisierten Umgebung kommt, in der man skalierbar verfügbare Ressourcen nur nach Bedarf nutzt.

In Gesprächen mit unseren Kund*innen beginnen wir damit, den Status zu bestimmen also  wie ihr C02- Fußabdruck eigentlich aussieht. Dann zeigen  wir auf, wie man mit Google Data Analytics und der neuen C02-Bilanz in Google Cloud den bei der Nutzung anfallenden Energieverbrauch messen kann. Mit diesen Tools kann der Kunde Verbesserungspotenziale bei der Migration zu Google Cloud abschätzen, Emissionen in Echtzeit ansehen und entsprechende Berichte erstellen.

Auf dieser Basis erstellen wir dann zusammen einen Plan, wie das Unternehmen seinen Fußabdruck langfristig reduzieren kann. Hier hat sich viel getan. Als ich in der IT angefangen habe, ging es vor allem darum, den Stromverbrauch von Mainframes im hauseigenen Rechenzentrum zu optimieren. Viele sogenannte Batchjobs wurden in die Nacht verlegt, um die Auslastung auszugleichen. Nachdem aber die CPU- Leistung so exorbitant gewachsen ist, geht man heute wieder dazu über, gewisse Workloads bei Tag laufen zu lassen - weil man dann Sonnen- und Windenergie nutzen kann.

Um unsere Kund* innen bei derartigen Überlegungen zu unterstützen, weisen wir für jedes unserer Rechenzentren den Anteil an C02-freier Energienutzung aus. Sie haben damit die Wahl, welchen Teil ihrer Workloads sie auf Rechenzentren in Regionen mit noch geringerem C02-Ausstoß legen.

Durch die voranschreitende Digitalisierung von Prozessen steigt unter anderem auch der Energiebedarf und damit der C02- Fußabdruck der Unternehmen. Wie kann die Informationstechnologie Ihrer Ansicht nach zu einem nachhaltigeren Unternehmen beitragen?

 

Bernd Wagner: Erstens durch das sogenannte „Greening of IT" - indem wir Technologien einsetzen, die unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit entwickelt wurden und die unmittelbaren Auswirkungen des IT-Betriebs sowie damit verbundene Emissionen reduzieren. Dabei geht es vor allem um den intelligenten und effizienten Betrieb von Rechenzentren. Die IT-Infrastruktur trägt wesentlich zu den globalen Kohlendioxidemissionen bei. Rechenzentren auf der ganzen Welt verbrauchen schätzungsweise ein Prozent des weltweiten Stroms.

 

Eine der Herausforderungen beim Betreiben von Rechenzentren besteht darin, dass in einem solchen Tausende von Sensoren laufen, die in kurzen Zeitabständen melden, wie viele Server in Betrieb sind, mit welcher Kapazität und Auslastung sie bei welcher Temperatur laufen. Wenn nun an einem Standort beispielsweise Regen und Wind aufkommen, könnte man die Klimatisierung herunterfahren und die Server mit Außenluft kühlen. Aber die Frage ist: Ist es besser, wenn ich vier Ventilatoren auf 50 Prozent laufen lasse oder von vieren zwei i auf 100 Prozent? Was braucht weniger Energie, was kühlt welche Server effizienter? Überlegen Sie mal, wie viele Datenpunkte man hier zum Errechnen einer idealen Lösung einbeziehen muss, selbst wenn man nur zehn Sensoren mit zehn Zuständen in Betracht zieht. Das ist eine kombinatorische Explosion: Ein Mensch kann das selbst mit viel Erfahrung nur schwer lösen.

An dieser Stelle hilft uns unsere Kompetenz im Bereich Machine Learning und KI. Mit diesen Technologien ist es uns gelungen, den Energieverbrauch in unseren Rechenzentren um circa 30 Prozent zu senken. Wir bieten heute siebenmal mehr Rechenleistung für die gleiche Strommenge an als vor sechs Jahren.

 

Ein zweiter Punkt ist das „Greening by IT" - also IT und Technologien zu nutzen, um Lösungen und Geschäftsmodelle im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist unser Project Sunroof . Darin geht es darum, die Potenziale für die Nutzung von Solarenergie abzuschätzen. Seit 2015 haben wir die Daten von weltweit mehr als 107 Millionen Gebäuden in Google Maps und Google Earth untersucht. Dabei berechnen w wir die Dachneigung und die durchschnittliche Sonneneinstrahlung anhand von Wetterdaten und lassen dann unter Einsatz von KI und Machine Learning errechnen, w wie viel Solarenergie dort gewonnen werden könnte. In Deutschland arbeiten w wir in diesem Projekt mit der E.ON zusammen, die ihren Kund*innen damit sagen kann, wie viele Paneele sie installieren sollten und welchen Teil ihres Energieverbrauchs sie damit selbst produzieren würden.

Das Thema Nachhaltigkeit wird uns auch in den kommenden Jahren beschäftigen. Wie werden Sie zukünftig mit Ihren Kunden zusammenarbeiten, um gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit zu kommen?

Bernd Wagner: In der Zusammenarbeit mit unseren Kund*innen und Partnern werden wir uns auch weiterhin darum bemühen, den C02-Ausstoß bei der IT-Nutzung zu verringern. Allein in Deutschland werden w wir mehr als eine Milliarde Euro in grüne Energie und Infrastruktur investieren, etwa beim Auf- und Ausbau unserer Cloud-Regionen in Frankfurt und demnächst in Berlin-Brandenburg. Unser Energiepartner ENGIE Deutschland wird dazu mehr als 140 Megawatt an Solar- und Windenergie an Google liefern; unter anderem mit einer neuen 39-MW-Photovoltaikanlage und 22 Windparks in fünf Bundesländern. Das von n ENGIE bereitgestellte Portfolio stellt sicher, dass ab 2022 zu jeder Stunde rund 80 Prozent der an unsere deutsche Goog­le-Infrastruktur gelieferten Energie aus C02-freien Quellen stammen.

 

 

Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses bei der Eröffnung der William Turner Ausstellung 2023, Foto: Beate Obermann copyright
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