Das 12. Internationales Fünf Seen Filmfestival eröffnet in Starnberg unter dem Motto Zeit, heuer im frühherbstlichen September vom 6. – 15. September 2018 

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400 geladene Gäste erlebten einen Eröffnungs-Abend mit Ehrengästen wie Georg Eisenreich, Staatsminister für Digitales, Medien und Europa und Starnberger Polit-Prominenz wie Landrat Roth.

 

Auch Ehrengäste wie Regisseur Dominik Graf, Regisseur Josef Bierbichler und Editorin Bettina Böhler werden neben vielen Regisseuren und Filmschaffenden auf dem Fünf Seen Festival erwartet.

 

Mit lockerem Sekt-Empfang für 400 geladene Gäste startete das Internationales Fünf Seen Filmfestival am Schlossberg in Starnberg. Filmfestleiter Matthias Helwig kündigt vor vollem Kinosaal.150 Filme mit mehr als 250 Vorstellungen auf insgesamt 13 Leinwänden, 2 Uraufführungen, 19 Deutschlandpremieren, 26 Süddeutschland-Premieren, und sechs Bayern-Premieren an. Insgesamt werden mehr als 120 Gäste erwartet.  Film bildet Zeit zeitlos auf Zelluloid oder digital ab. Film ist immer noch das Hauptmedium für die Darstellung von Raum und Zeit in der Bewegung, ob dokumentarisch oder fiktional.

 

Das Publikum erlebt im 5-Seen-Land an den Spielstätten Starnberg, Gauting, Weßling und Seefeld vom 6. bis 15. September 10 Tage lang zeitlos Schönes in bewegten Bildern konserviert und dokumentiert, wie immer an schönen Spielorten und schönen Kinos. Dabei erscheint die Zeit zu kurz, anlässlich eines reichen Filmangebots, mit den weiteren internationalen Schwerpunkten Indien, Taipeh und Südtirol und zirka 100 Filmgesprächen und 150 Zeitdokumenten des Films. Ehrengäste werden der Schauspieler und Regisseur Josef Bierbichler und der Regisseur Dominik Graf sein.

 

 

In diesem Jahr begründet Festivalchef Matthias Helwig die diesjährige Wahl so: „Zeit ist unweigerlich mit Anfang und Ende, Geburt und Tod verbunden. Das Leben dazwischen ist der Raum. Und das, was wir daraus machen, ist die Bewegung. Diese drei Themen Zeit, Raum und Bewegung werden in den nächsten drei Fünf Seen Filmfestivals die Themen vorgeben.“

 

Zeit, Raum und Bewegung sind Begriffe auch in der buddhistischen Philosophie und ein Grundbegriff im Hinduismus, vor allem der Raum als Teil integraler Bestandteil zu den Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Wie stehen zunächst Raum und Zeit in Zusammenhang? Daisaku Ikeda beschreibt Raum und Zeit in „Das Rätsel des Lebens“ aus buddhistischer Sicht treffend: „Wir werden nicht in eine riesige, bereits existierende Ausdehnung von Zeit und Raum, die man Universum oder Kosmos nennt, hineingesetzt – im Gegenteil wir sind integraler Bestandteil dieser Ausdehnung und schöpfen unsere Energie aus der einzigen ursprünglichen Lebensenergie, die alle im Universum erschafft und motiviert. Das Selbst des universellen Lebens breitet sich unendlich durch Raum und Zeit aus. (…) Die Existenz dieses gegenwärtigen Augenblicks ist die Existenz des kosmischen Wesens in diesem gegenwärtigen Augenblick, und da dieser Augenblick den gesamten Kosmos enthält, enthält er die Ewigkeit. (Seite 128/129: Das Rätsel des Lebens, Autor: Daisaku Ikeda; Life, An Enigma, A Precious Jewel, Nymphenburger 1982).

 

Welches Medium eignet sich da besser als der Film, der Raum und Zeit in einen Zusammenhang bringt und den Zuschauer gleichzeitig in der körperlichen Anwesenheit in genau diesem Augenblick der Ewigkeit einbindet? Der fiktionale Raum des Films als Abbild der individuellen Wahrnehmung des Universums und die körperliche tatsächliche Anwesenheit des Zuschauers verbinden sich in diesem Zeit – Raum-Kontinuum, auch wenn Filme tatsächlich einen vergangenen Zeitpunkt in der Bewegung des Films und der Handlung abbilden.

 

Wer die mehr als 120 angesagten und eingeladenen Regisseure, Schauspieler und Jurys in diesem Zeit/Raum-Kontinuum in Echtzeit auf dem Internationales Fünf Seen Filmfestival im gegenwärtigen Augenblick, der die Ewigkeit beinhaltet, erleben will, kann sich ein Bild in Werkstatt-Gesprächen, Diskussionen und Preisverleihungen machen. Genannt seien hier der „DACHS-Drehbuch-Preis für das beste Drehbuch, am 9. September 2018. Der Film 303 erhielt in diesem Jahr den DACHS Filmpreis für das beste Drehbuch. Weiter gespannt sein darf man auf den Fünf Seen Filmpreis mit den besten Filmen aus Mitteleuropa und auf den Horizonte Filmpreis. Das „Goldene Glühwürmchen“, das bei der legendären Dampferfahrt auf dem Starnberger See für die besten Kurzfilme am 11. September 2018 verliehen wird, ist ein weiterer Höhepunkt des Fünf-Seen-Filmfestivals.

 

Der vorherrschende Zeitgeist des 21. Jahrhunderts spiegelt sich in vielen Filmen des diesjährigen ffsm wider: Das Internationales Fünf Seen Filmfestival zeigte am 6. September 2018 als Auftakt das kontroverse Filmdrama „Styx“ –  (Weltpremiere der deutsch-österreichischen Produktion auf der diesjährigen Berlinale) – und bietet keinesfalls die unterhaltsame Variante einer Eröffnung an. Die schon harten Stühle des Schlossberg-Saales bieten angesichts der dramatischen Bilder keine komfortable Sitzgelegenheit für einen aktuellen dem Zeitgeist entsprechenden Filmstoff an. Das Flüchtlingsdrama, das Europa und die Welt bewegt, hat Starnberg in Form eines Filmes erreicht:

 

Regisseur Wolfgang Fischer stellte sein Filmdrama „Styx“ zeitgleich auf dem Filmfest in Toronto vor und grüßte aus der Ferne per Videobotschaft in das ferne Starnberg. „Styx“ ist in der griechischen Sage nach Hesiod die Tochter des Okeanos und der Tethys, bei Hyginus ist sie die Tochter der Nyx und des Erebos. Der Fluss Styx ist wie der Filmtitel die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich des Hades. Die Seelen der Toten werden von Charon, dem Fährmann, über den Fluss geschifft. Damit sie den Fährmann Charon bezahlen konnten, wurde den Toten eine Münze (Obolus) unter die Zunge gelegt und somit in den Tod mitgegeben. Wer eine solche Münze nicht erhielt, musste die Ewigkeit am Ufer des Flusses verbringen.

 

Der Film „Styx“ mit Rike (Schauspielerin Susanne Wolff) als Notärztin und Aussteigerin im Segelboot auf der Fahrt zum Naturparadies Ascencion, zwingt zum Nachdenken über die so scheinbar ferne Flüchtlingskrise im Mittelmeer und Atlantik. Auch Zeit unter dem Aspekt Zeitgeist des 21. Jahrhunderts rückt hier den menschlichen Konflikt des nicht menschlichen Verhaltens  mit Schwächeren in den Mittelpunkt des filmischen Geschehens. Die Eskapistin aus der realen Welt Rike alias „Styx“ trifft nach einem furchterregenden Orkan auf ein sinkendes Flüchtlingsboot. Auch diese haben ihren Obolus an einen Schleuser gezahlt und eine Fahrt in den unvermeidlichen Tod im tobenden Ozean angetreten. Die Schauspielerin wird mitten in diesem Raum des Ozeans zur „Fährfrau zwischen Leben und Tod“ für einen schiffbrüchigen Jungen, den sie rettet. Wie lange dauert es, bis ein Rettungsboot der Küstenwache ein sinkendes Schiff vollbeladen mit Flüchtenden rettet? Eine Ewigkeit? 12 Stunden? Darf ein Arzt seinen hippokratischen Eid brechen? Darf jemand den Schiffbrüchigen helfen? Was kann ein einzelner Mensch leisten? Wortkarg und mit starken Bildern im Kampf mit dem Meer eröffnen sich hier die Abgründe des Existenzkampfes mit dem Element Meer und der drängenden Zeit, ob die Schiffbrüchigen noch vom sinkenden Schiff gelangen. Rike ist hier Handelnde und integraler Bestandteil des Raums in der „Bewegung“ ihrer Handlung. Die Hölle einer schier nicht vergehenden Zeit tut sich hier auf.

 

Der Sturm im Film mit schweren Sturmböen und ein gleichzeitig leichteres Gewitter über dem Schlossberg in Starnberg während der Filmpräsentation verwischen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Ein Flüchtlingsboot rückt in den Kinosaal und in das Bewusstsein der Menschen. Wie die Ärztin im Film kann sich das Publikum nicht auf die Insel der Seligen oder eine einzelne Jolle retten, wenn auch ins idyllische Starnberg. Die Zeit scheint hier noch bayerisch gemächlich zu ticken. Nach diesem Film, der die Probleme der Zeit darstellt, ist der Cineast dann spätestens wach. Der anschließende Empfang fand dann in noch heiterer, jedoch nachdenklicher Stimmung statt, mit Kanapees und dem Bayerischen Nationalgetränk, das die Realität etwas milder erscheinen lässt?

 

Die Frage ist, ob wir uns getrennt von unserer Umwelt begreifen oder als verbundene Wesen wie die Notärztin in Styx? „Wenn wir nicht aus der unendlichen Energiequelle des Kosmos schöpfen, geraten wir in Schwierigkeiten“, so Daisaku Ikeda. „In unserem Leben ist Ewigkeit enthalten, aber wir treffen nicht einmal Vorkehrungen für das nächste Jahr. Vom Potenzial ist unser Lebensraum unendlich. Aber so wie die Dinge liegen, nimmt er nicht einmal diesen winzigen Planeten Erde ein.“ (Das Rätsel des Lebens ebd.).

 

Der Film fordert uns auf, einen Weg zu finden, die Ewigkeit in einem einzigen Augenblick zu leben. Rike ist als handelnde Person hier „integraler Bestandteil dieser Ausdehnung“ in Raum und Zeit und schöpft aus der universellen Energie des Mitgefühls, das sie dem Ertrinkenden gewährt. Gleichzeitig ist Styx als Abbild des Zeitgeschehens mit Millionen von Flüchtlingen eine Allegorie auf das Leben in der heutigen Zeit. Das Drama des Lebens in Zeit und Raum kann vom 6. Bis 15. September auf dem fsff erlebt werden, in heiteren, dramatischen, gewalttätigen und humorvollen Filmen. Fahren Sie hin, es lohnt sich! Nehmen Sie sich die Zeit für filmische Augenblicke.

 

 

Beate Obermann

Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses bei der Eröffnung der William Turner Ausstellung 2023, Foto: Beate Obermann copyright
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