Man findet schön, was man liebt: Interview mit der Schauspielerin Senta Berger

Frage: „Sie beschreiben im Film Terra X und die Geschichte der Schönheit:  "Man findet nur schön, was man liebt?“

 

Senta Berger: „Das ist die einzige Definition von Schönheit, die ich gelten lasse: man findet schön, was man liebt. Ich betrachte beispielsweise die Bilder von Hundertjährigen mit Liebe. So viel Leben in den Gesichtern. So viel Freude und Kummer, so viel Lachen und Weinen, Geburt und Tod – ich sehe ihre Erfahrungen. Das hat auch für mich etwas Tröstliches, mögen ihre Erfahrungen auch niemals meine sein. Da spüre ich ein „dennoch“ in den Gesichtern dieser alten, sehr alten Menschen, was mich ermutigt, mein Leben zu leben und nach vorne zu schauen, auch wenn meine Augen schwach werden.“

 

Frage: „Was reizt Sie an der Rolle der Moderatorin in Terra X und „Die Geschichte der Schönheit“?

 

Senta Berger: „Ich freue mich über die themengebundene Moderation. Fast zehn Jahre lange habe ich den Echo moderiert. Daraus ist die Sendung „Klassisch“ entstanden. Daher kenne ich diese Rolle der Moderatorin schon. Das einzige Hindernis war: Ich bin es gewohnt beim Filmen die Kamera zu ignorieren. Beim Moderieren muss ich in die Kamera schauen, sie zum Partner zu machen. Das ist mir in der Geschichte der Schönheit auch gut gelungen.“

 

Frage: „Im Film kommt die Szene vor, Schönheit sei Provokation. Was verstehen Sie darunter?“

 

Senta Berger: „Schönheit ist Freude und Provokation. Die Tellerlippen in Afrika, sind die schön? Was wir als schön empfinden, hat mit der Evolution zu tun. Wir tun im Grunde alles, um erotisch zu sein. Ob das Frauen für die Männer machen? Wir alle wollen im Dienste der Evolution „schön“ sein, anziehend. Das ist der Mensch nicht anders als das Tier. Wir plustern uns auf, wir schummeln mit allerlei Tricks bei unserer Schönheit, wir gurren und werben, wir wollen beschützt werden und wir wollen schützen: unsere Kinder. Die kleinen Wesen mit den großen Augen und der hohen Stirn, das spricht unseren Beschützerinstinkt an. Die sogenannten „Kindfrauen“, die noch mit 50 mit Kleinmädchenstimme sprechen, die uns latent dazu aufordert: „Bitte beschütze mich vor dieser Welt…..“ Und es funktioniert ja auch meistens. „Bambi“ möchte man ja auch beschützen.“

 

 

Frage: „Welche Epoche der Schönheit gefällt Ihnen am Besten.“

 

Senta Berger: "Am besten der Jugendstil in den Zwanziger Jahren. Die Mädchen begannen da, ihre Haare abzuschneiden, so wie die Tochter Arthur Schnitzlers: „Hilfe, Hilfe mit hat jemand die Haare abgeschnitten. Sie konnte dann gar nicht sagen, dass sie es selbst gemacht hat. Das war ja damals ein Skandal. Die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren auch sehr schön. Die Männer hatten lange Haare (lacht). Das war die Zeit der langen Seidengewänder mit Blumen in den Haaren, schönen Blusen und der bunten Mode.“

 

 

Frage: „Frau Berger, Sie gelten als Schönheitsidol. Ihre Schönheit und ihre Karriere hängt das zusammen?“

 

Senta Berger: „Sie sprechen ein Vorurteil an. An meiner Entwicklung, dieses Wort ist mir nämlich lieber, wurde ich wegen meines Äußeren eingesetzt. Mit Zwanzig, als ich zum Film kann, war ich ein pummeliger Teenager. Erst später wurde ich als schön angesehen. Ich wusste, dass ist ein Geschenk meiner Eltern oder Großeltern, das ist ja kein persönlicher Verdienst. Als junge Schauspielerin habe ich die Hinweise auf mein Aussehen als durchaus hinderlich empfunden. So als könnte eine junge gut aussehende Frau keine tiefen Gedanken haben, keinen scharfen Verstand und vor allem nicht die gleichen schauspielerischen Fähigkeiten wie die anderen Kolleginnen. Es gibt schöne Frauen, aber auch die können sich nur entwickeln, wenn sie auch Schauspielerinnen sind, wenn sich bewegen können. Wenn sie aber kein lebendiges Gesicht haben, wir dies nicht funktionieren, auch wenn sie sehr schön sind.“

 

 

Frage: „Frau Berger, hatten sie ein Schönheitsideal?“

 

Senta Berger: „Sophia Loren. Ich wollte so sein wie sie. Ich habe als Jugendliche meinen Rolli oben so ausgeschnitten, damit er so wie bei Sophia Loren über die Schulter hängt. Mit meiner Freundin Heidi habe ich die Mahagoni Farbe geteilt, um die gleiche Haarfarbe wie Sophia Loren zu haben. Mein armer Vater musste dann ein Foto von mir im Schrebergarten machen. Ich habe an einem Wettbewerb teilgenommen und wurde aus 12 Bewerbern ausgewählt. Es klingelte bei uns und ich stand mit Pferdeschwanz und weißer Bluse in der Tür. Draußen stand dieser Mann und schaute mich an. Nach einer Weile sagte er:“ Hast Dua a Schwester.“ (lacht). Ich wurde dann natürlich nochmals fotografiert und ich bin dann am Schluss aus dem Wettbewerb geflohen.“

 

Frage: „Sind Sie Sophia Loren auch begegnet?“

 

Senta Berger: „In meinem ersten Film habe ich Mrs. Strauss, die Frau des Komponisten in den USA gespielt. Ich hatte da viele Kostüme und eine Kleiderpuppe mit den gleichen Maßen wie Sophia Loren. Ich habe Sophia Loren dann getroffen und sie war ja einen Kopf größer als ich!“

 

 

Frage: „Wo ist Ihnen in letzter Zeit Schönheit begegnet?“

 

Senta Berger: „Jeden Tag begegnet mir Schönheit. Im Wechsel der Jahreszeiten wir mein Garten besonders schön. Vor ein paar Wochen, als es noch Sommer war, haben die Bäume mir gesagt: Es wird bald Herbst. Das Grün der Blätter nimmt einen zarten Gelbton an. Die Rosen blühen zum zweiten Mal. Nicht mehr so reich wie im Sommer. Sie verabschieden sich langsam. Vielleicht gehört genau das zur Schönheit, die man bewusst empfindet: ihre Vergänglichkeit. Umso kostbarer wird für uns die Schönheit. Eine Libelle, ein Schmetterling, ja die Schönheit eines kleinen Kindes macht uns schmerzlich bewusst, dass Schönheit etwas sehr Angreifbares ist. Vielleicht sind wir auch deshalb immer wieder so erschüttert von der gewaltigen Schönheit des Meeres, der Gebirge, weil sie unserem kurzlebigen Verständnis von Schönheit ihre Ewigkeit entgegenhalten.“

 

Beate Obermann, Oktober 2013

 

 

 

Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses bei der Eröffnung der William Turner Ausstellung 2023, Foto: Beate Obermann copyright
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